Karin: Mich stört ja unglaublich die zunehmende Vermüllung. Diese Respektlosigkeit gegenüber der Umwelt, gegenüber einem gepflegten Park. Das ist ja ein Riesenproblem inzwischen.


Yvonne: Was sind Dinge, die Sie wütend machen?

Matthias: Also nur, wenn es aussieht wie im Saustall überall. Also normale Sachen.

Y: Finden Sie, dass das zugenommen hat?

Matthias: Ja, sehr zugenommen. Im Park und so. Wenn du das so siehst. Ich lauf ja viel. Die Strafen müssten mal ein bissel höher werden. Für manche. Sind ja mehrere, die sowas machen.

Y: Was meinen Sie, woran das liegt?

Matthias: Na teilweise, weil die Jugendlichen nicht mehr die Ahnung haben und den Respekt vor manchen Sachen. Vermute ich.


Dörte: Ich habe mir natürlich Gedanken gemacht, was mich wütend macht. Was mich richtig wütend macht, ist der Umgang mit Abfall. Dass das überall hier liegt. Überall liegt Müll rum. In meinem Garten, in meinem schönen Garten liegen überall Zigarettenkippen. Und ich muss diese Kippen entsorgen. Das macht mich wütend. Die ausgespuckten Kaugummis … Überleg mal, jeder würde seinen Müll so entsorgen, wie es sich gehört. Was die Kommunen für Geld sparen würden! Du fährst durch den Rastenberger Tunnel und da geht die Stadtreinigung durch und nach zwei Stunden liegt schon wieder Müll rum. Das sind Sachen, die mich wirklich ärgern!


Stephanie: Meine Tochter ist 13, aber ich lieb die sehr und manchmal da bringt sie mich …, macht mich manchmal wütend …Ich bin dann auch manchmal wütend, weil ich finde das auch nicht in Ordnung. Wenn ich gerade …, Als ob ich für alles Schuld habe oder so.

Yvonne: Schreist du dann?

Stephanie: Nee, wir haben so eine winzig kleine Wohnung und können uns so wenig aus dem Weg gehen. … Und da habe ich dann schon ein oder zweimal gesagt: »Ich gehe jetzt mal raus.« Und das mache ich sonst selten. Ich gehe nämlich nie freiwillig spazieren, also ohne Grund. Aber da bin ich einfach rausgegangen, weil ich das nicht mehr geschafft habe, leise zu sein. Aber das ist ganz selten.

Yvonne: So eine totale Nervenüberreizung.

Stephanie: Na ja, wo man manchmal wirklich ein bisschen Abstand braucht, mal ganz kurz, weil es einfach Quatsch ist, dass man das immer weiter… Also meine Tochter, die hört einfach nicht auf. Und ich sage dann: »Ist jetzt gut. Wir haben das jetzt geklärt.« Nee, noch mal, noch mal, noch mal. Aber das gehört jetzt auch dazu, ich glaube, die ist auch wütend. Auf alles Mögliche. Dinge, die ich manchmal nicht so verstehe. Weil die gerade übt, wie das ist, wenn man das selbst verantwortet und eigene Ideen hat und dann vielleicht die nicht umsetzen kann oder so. Na ja, ich will das aber jetzt nicht so extrem vertiefen, weil das ist, glaube ich, eine Phase, da muss man durch. Da lebe ich auch ein bisschen Wut manchmal.


Yvonne: Wollt ich dich gerade fragen: Wie gehst du denn damit um, wenn Deine Kinder Wut haben?

Markus: Ehrlich gesagt, meistens genieße ich es. Weil ich die Energie mag, diese Lebendigkeit. Die haben am meisten Wut, wenn ihnen irgendwie ein Ei außer Tasche gefallen ist. Oder weil Papa heute das Ei nicht hart genug gekocht hat oder so. Dann könnte ich mich beömmeln, wenn die so einen kleinen hysterischen Anfall hinlegen. Weil ich genau weiß, es ist wie eine Welle: Die kommt, türmt sich auf und drei Minuten später wollen sie wieder kuscheln. Und so ist es ja im Theater auch. Meine Frau hat eine größere Schwierigkeit, die wird dann ganz schrecklich sauer. Wenn sie sich wahnsinnig viel Mühe beim Essen gemacht hat und die Kinder machen: »Wääh, schmeckt scheiße«, dann wird sie richtig sauer. Ich würde da nie sauer werden, weil ich das gar nicht persönlich nehmen kann. Sauer werde ich, wenn sie sich quälen gegenseitig. So Sachen, da werde ich wütend. Weil ich da hilflos bin. Dann kommen so Gefühle, mit denen ich nicht umgehen kann.

Yvonne: Und wenn du dann wütend bist, wie reagierst du da? Vermittelst du deinen Kindern gegenüber Aggressionen?

Markus: Ja, ich werde auch ungerecht dann. Laut auch.

Yvonne: Macht denen das Angst, wenn du laut bist?

Markus: Nee, die nehmen mich nicht besonders ernst. Ich gehe allerdings auch nicht sehr weit. Ich verliere nicht die Kontrolle. Ich könnte die nie schlagen oder so. Aber ich merke, wie ich eng werde und wie ich das brauche, in dem Moment rumzuschreien. Das muss dann halt einfach sein. Da bin ich dann voll unweise, also voll doof, so, wie ich nicht sein möchte. Aber sie können mich total triggern, weil sie mich natürlich auch kennen. Wissen genau, was sie machen müssen. Früher hat meine Tochter dann immer so … (macht eine Handbewegung). Dann hat sie mich angeguckt. Und ich habe gesagt: »Wehe!« Und das hat sie knallhart durchgezogen. Weil sie genau wusste, die Sanktion ist Pille-Palle von mir.


Anonym: Manchmal hab ich Wut auf meine Kinder. Ja, ge. Auf meine Kinder.

Yvonne: Das kenn ich auch.

Anonym: Weil die sind, ich hab ja mehrere …

Yvonne: Wie viele haben Sie denn?

Anonym: Dreie, und die Weiber, die vertragen sich seit drei Jahren nich. Da hat die Mutter natürlich Wut, weil das zieht ja Kreise, ge, für die ganze Familienpolitik. Ge. Da hab ich natürlich richtig Wut. Dass die sich wieder richtig einkriegen. Oh. Manchmal möchte ich se in ein Zimmer sperren und die erst wieder rauslassen, wenn alles gut is.

Yvonne: Wie alt sind denn Ihre Töchter?

Anonym: Na, die Weiber sind eigentlich im Moment nicht meine Töchter. Das sind die Weiber. Die sind 41 und 31.

Yvonne: Da sollten die sich das doch eigentlich ver…

Anonym: Nee. Nein. Nein. Nein. Da is immer noch diese … Durch diesen Altersunterschied. Iss een großer. Ich sach mal von der Großn her so e Neid-Faktor, weil das is n Zonenkind, das andere is n Westkind. Da gab es dann alles viel, ge, was es früher nich gab. Dann is die Kleene nur zum Glück auf der Welt, weil da immer alles geklappt hat, weil die sich das so erkämpfen musste. Keine Ahnung, wie das mit Weibern is. Ge. Aber mein Sohn war so pflegeleicht. (lacht) Und das zieht sich durch, auch später im Erwachsenenalter. Das, die Große wollte eben Kinder, das hat nich geklappt. Die Kleene hat gesagt: „Och jetzt bin ich alt genug, wenn es passiert passiert’s.“ und bums war es passiert. Die Große kriegt so n Hals. Und das zieht sich durch. Und dann sind die immer so e bissel in Gongurrenz. Lustigerweise. Ge. Statt die Eene von der anderen profitiert. Ge. Die Kleene von der Großn, weil die organisierter is und die Große von der Kleenen, weil die einfach offen is fürs Leben. Und dann isses halt so, und dann läuft es halt so, und wenn es nicht ganz klappt, probieren wir mal was anderes aus, ge. Die is lässicher, ge. Aber nee!


Anonym: Es ist jetzt seit sechs Jahren, da bin ich für ihn ein Elternteil dritter Klasse. Er ignoriert mich oft. Alles, was ich sage: »wah, wah, wah.« Und ja, das regt mich auf. […] Ich war lange Zeit nicht da. Immer nur mal am Wochenende war ich da. Und wir sind momentan in so ner Elterntherapie. […] Entweder schreie ich ihn an, meinen Sohn. Oder auch, wenn ich gerade was mache und ich will nicht, dass er da ist und ich sag ein paar Mal, dass er weggehen soll, mich in Ruhe lassen soll. Äh, dann wende ich – es klingt jetzt schlimmer, als es wirklich ist – Technik aus dem Kampfsport an und zwar Hebel. Ich weiß ja, wie ich ihn zu Boden bringe. Wie ich ihn sanft zu Boden bringe. Das wende ich halt an, das mache ich dann halt.


Olaf: Ich bin manchmal wütend auf mich selber, wenn ich irgendwas vergessen oder vertauscht habe oder irgendwas liegengeblieben ist. Für mich ist halt immer wichtig, dass man guckt, dass man auch das, was man selber an Wut verursacht hat, dass man das nicht auf andere projiziert. Wenn man einen schlechten Tag gehabt hat und die Kinder vielleicht auch, dann ist es nicht die Schuld meiner Kinder, dass ich einen schlechten Tag gehabt habe. Ich finde es ganz wichtig, immer mal innezuhalten und das nicht so unqualifiziert weiterzugeben. Wenn man doch mal zu gereizt reagiert hat, dass man sagt: »Entschuldigung, ich bin gerade völlig gestresst.«


Anonym: Guck mal, unsere Schulabbrecher-Kinder hier, meine Tochter, und das nächste Thema, darüber kann man wirklich wütend sein. Warum hat dieses Land so eine strenge Schulpflicht? Und dass du in so einen Konflikt gebracht wirst als Lehrer. Du musst das System vertreten, das, was deine Schulleitung möchte, und musst die Kinder irgendwie strafen. Und ich will die überhaupt nicht strafen. Es geht immer immer gegen das eigene Innere. Das ist nicht so einfach, das so aufzulösen, wenn du als Lehrerin in einem staatlichen System arbeitest.



Ulrike: Das, was du vorhin gesagt hast, das habe ich auch in meinem näheren Umfeld: Menschen, die gelernt haben, wütend zu sein, die habe ich selbst aufgefordert: »Wo ist denn deine Wut?« Das ging immer nach innen, die nach innen gerichtete Wut quasi. Wenn die dann mal rauskommt, ist es ein spannender Prozess. Wenn man Menschen dazu ermutigt, wenn man merkt, da ist was und sie dabei begleiten kann, das wäre für mich ein positiver Aspekt. Ich denke, der Umgang damit muss gelernt werden, so, wie alles gelernt werden muss. Und eben auch unterschiedliche Hintergründe, Prägungen: männlich, weiblich, woher kommend, welche und so weiter, wie durfte man das zu Hause ausleben, wie sind die Eltern miteinander umgegangen, was wurde einem vorgelebt … Es gibt so tausend Schattierungen. Aber dieser progressive Umgang damit ist sowieso gut. Also wie so viele Dinge gut sind, über die man redet.


E: Das ist tatsächlich ein Vorsatz, den ich mir dieses Jahr zu Silvester gemacht hatte: Wenn mich etwas ärgert, dass ich das an den Menschen kriege, der das verursacht hat. Gar nicht mal, ob der sich dann ändert oder das überdenkt. Aber damit das dann nicht mehr bei mir gärt. Das ist bei mir nicht mehr so: »Na hättet doch mal, und solltet doch mal, und Ihr könntet doch mal«. Dass es irgendwie aus diesem unproduktiven Schweren so rauskommt. So, dass man sich selber die Chance gibt, sich von diesen Gefühlen zu befreien, die einen so wütend machen.


Dietrich: Irgendwann habe ich mir überlegt, dass das Ändern für mich besser wäre. Aber es ist noch eine schwere Krankheit dazu gekommen. Und die hat das Ganze befördert. Eine Krebserkrankung. Durch die Krebserkrankung habe ich die Möglichkeit gehabt. Sonst hätte ich die nicht gehabt. Sonst hätte ich mein Leben nicht so umgestalten können. Sonst ist man ja in so einem Hamsterrad. Wenn man zum Beispiel in einer Behörde arbeitet, kommt man da nur ganz schwer raus. Die können ja nicht entlassen durch Krankheit. Man ist da ewig drin. Das war bei mir anders. Ich habe auch Glück gehabt. Also Wut und Glück liegen auch ganz dicht beieinander.


Anita: Ich hab auch manchmal Wut. Auf meinen Mann. (Alle lachen.)

Wieland: Da musst du ja den Strauß fangen.

Elvira: Is nich jeden Tag Sonnenschein. Ne?

Yvonne: Da musst du »Mann« an die Tafel schreiben.

Anita: Das gehört dazu! Das gehört einfach dazu.

Yvonne: Das gehört dazu? Zur Ehe?

Anita: Natürlich. Höhen und Tiefen. Bist du verheiratet?

Yvonne: Ja.

Anita: Dann musst du es ja och wissen.


Anonym: Ich bin wütend auf alles. Aber ich möchte da rauskommen und nicht bloß hier n Blumenstrauß werfen. Das ist mir zu armselig, zu klein. Zu flach sagt mein Freund immer.



Janek: Was mich ein bisschen wütend macht, dass so dieser Kokon, in dem die Leute sind: Was ist das Ziel davon? Also welches Ziel verfolgt ihr jetzt damit? Was soll herauskommen? Gibt es etwas, was herauskommen soll? Niemand erfährt, dass ihr Euch ärgert über die öffentlichen Verkehrsmittel, über die Ärzte, über die nicht vorhandenen Arzttermine. Stundenlang könnt ihr darüber euch aufregen. Aber das tut ihr so für Euch. Und viele andere tun das auch allein.


Sarah: Ich fühle mich viel hilfloser als früher. Noch vor fünf Jahren war die Motivation größer und auch das Gefühl, wenn ich etwas tue, kann ich wirklich was bewirken. Mittlerweile habe ich das Gefühl nicht mehr so doll. Ich denke eher, ich laufe so ins Leere. Ja.


Lis: Ich spür Wut auch so im Brustbauchbereich, auch so ein bisschen in der Leber, dass es da irgendwie auch so ein bisschen brennt. Oder ich fange oft an zu schwitzen, wie, als wenn man kurz vor Ich-stürze-von-der-Treppe ist. Das ist so ein Schauer auch manchmal. Also, ja, es ist einfach auch eine sehr körperliche Reaktion.


Anonym: Wenn ich denke, dass jemand wütend ist – also jemand anderes außerhalb meiner Familie, dann kann ich gar nicht mehr denken und schlafen, bis sich das geklärt hat. Dann find ich’s schon richtig schlimm. Aber zu Hause nicht mehr.


Matthias: Beruflich zur Zeit Rentner.

Yvonne: Ist das ein schöner Zustand?

Matthias: Nö.

Yvonne: Nee. Weil?

Matthias: Warum?

Yvonne: Das heißt, Sie haben nicht genügend Rente.

Matthias: Mhm.

Yvonne: Ist das etwas, was Sie wütend macht?

Matthias: Ja, das macht mich sehr wütend. Bissel mehr in der Tasche.


Anonym: Meine Tochter hat neulich zu meiner Frau gesagt – und das war das Härteste, was ich bisher von ihr gehört habe: »Du bist so beschissen, dicke Titten und nichts im Hirn.« Mit neun! Ich habe direkt gesehen, wie meiner Frau das Gesicht entglitten ist. Da bin ich zum Beispiel auch laut geworden. Weil ich dachte: »Wo kommt das denn jetzt her? Das ist doch nicht mein Mädchen.« So fieses, grobes, vulgäres Zeug. Das hat sie natürlich gemacht, weil sie wusste, sie kriegt ne Reaktion von uns. So ein Empfindsamkeitstest. Und das hat funktioniert.



Friederike: Ich werde wahrscheinlich eines Tages, wenn meine Mutter nicht mehr lebt, dann überlege ich mir, wo ich meinen Lebensabend verbringen werde. Ob mit diesen mies gelaunten …, ja, ehrlich, also das ist ja ein mies gelauntes Land. Das ist sehr traurig, aber so sehe ich das. Und ich rette es nicht. Ich rette es nicht. Es muss jeder selber privat seinen Frieden finden oder machen und das so für sich durcharbeiten, wo man glücklich sein kann. Aber wir sind ja dann auch beeinflusst von der Gesellschaft, wie man immer so schön sagt, von den Menschen. Wenn ich die so angucke und denke, warum sieht denn der so schrecklich missgelaunt aus? Das ist ja nicht MEIN Thema, aber es ist doch mein Thema, weil sie da herumlaufen und die Kultur bilden.

Yvonne: Findest du das angreifend, wenn jemand dir so missgelaunt gegenübertritt?

Friederike: Ob mich das angreift? Mitunter, ja. Ja, aber man lässt sich dann aber so eine, du musst dann eigentlich dein Leben lang, dich damit beschäftigten, dir so eine Haut wachsen zu lassen oder dass sich das eben nicht …, dass du davon unabhängig bist. Aber es funktioniert nicht. Wir sind ja doch Gemeinschaft oder soziale Wesen. (sie lacht)


Yvonne: Wieso muss man sich in dieses Feld begeben? In der Politik ist egal, was sie machen, sie kriegen ja eh Prügel, also von einer Seite oder von der anderen.

Christian Herrgott: Nicht nur, aber Dankbarkeit ist jetzt nicht die vordringlichste Kategorie in der Politik, weil die Menschen wählen eigentlich auch nicht für die Dinge, die man gemacht hat, sondern sie wählen einen für die Aussichten der Zukunft. Das ist zumindest meine Erfahrung, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe. Natürlich hat man viele gute Kontakte, man hat viele gute Begegnungen. Ich mache hier jetzt 25 Jahre ehrenamtlich Politik in diesem Landkreis, die letzten 10 Jahre hauptamtlich. Und man spürt auch gute Gemeinsamkeiten, man spürt auch ein bisschen Dankbarkeit in vielen Bereichen, wenn man Menschen unterstützt hat, Vereine unterstützt hat, Gelder besorgt hat, Dinge zum Gelingen gebracht hat, Probleme gelöst hat. Aber in der Breite wird man im Wesentlichen, glaube ich, dafür gewählt, was man auch für eine Zukunftsaussicht den Menschen bietet. Und wenn das mit dem, was man gemacht hat, auch korrespondiert, dass die Leute einen für authentisch empfinden und man diese Authentizität auch lebt und sich nicht verbiegen lässt – auch bei dem einem oder anderen Gegenwindchen –, dann ist das, glaube ich, hilfreich. Und so kann man lange Politik machen. Wenn man immer auf das nächste Strohfeuer setzt, überlebt man keine Jahre.


Martin: Ich sehe mich als Möglichmacher. Ich gehe hin, pflanze den Keim ein und ob er aufgeht oder ob er keimt, ob er gegossen werden muss oder was auch immer, in welcher Form sich um ihn gekümmert werden muss, ist nicht meine Aufgabe. Das können die Menschen nur selber tun. Aber ich kann wenigstens den Keim einpflanzen und dann hoffen, dass es passiert oder eben nicht. Aber ich kann nicht so viel Energie da reinstecken, die ganze Zeit, dass ich noch Menschen, sozusagen, … wie lange soll ich mit ihnen reden? Bis ich an dem Punkt bin, wo sie halbwegs das verstanden haben, was hier los ist. Ich kann nur einen Impuls geben und dann entweder der Impuls fruchtet oder er fruchtet eben nicht. Aber um meinen eigenen Energiehaushalt zu schonen für die Sachen, die ich auch noch tue, mein Ehrenamt und diese Gespräche hier. Dorfliebe für alle. Ich bin noch im Neuland gewinnen e.V. als Vorstand und Bosch-Alumninetzwerk und keine Ahnung. Ich kandidier für den Stadtrat, habe drei Kinder, bin selber schwerbehindert. Das sind alles Sachen, wo ich ja meine Energie bei mir halten muss und die nicht immer in solche sinnlosen Gespräche rein investieren kann. Deswegen bin ich dabei zu überlegen, wie man die Gesellschaft so hacken kann in Anführungsstrichen, wobei ich »hacken« nicht als negativen Punkt sehe, sondern eher so als als Engineer des Guten sozusagen. Indem ich einfach versuche, so einen Impuls zu geben, dass Leute ins Nachdenken kommen. Aber das ist nicht meine Aufgabe, ihnen das zu erklären. Das können Sie alles schon selber machen, wenn sie Interesse haben. Das ist die Grundvoraussetzung.