Wut zeichnet sich dadurch aus, dass sie eigentlich gar nicht so auf etwas Konkretes gerichtet ist. Man weiß einfach nicht weiß: Wo kommt das her? Wut ist so ein bisschen ein Zeichen von eigener Wehrlosigkeit, von Hilflosigkeit. Wenn man mit den Gedanken am Ende ist und sie selber nicht mehr auffangen kann, dann staut sich das an.
Wut, die auch etwas Blindes ist, kann eine gewaltige Kraft entfalten. Wenn ganz, ganz viele Menschen wütend wären, wäre das eine Riesentsunamiwelle. Aber was würde denn verändert werden mit der Wut? Letztendlich geht es doch darum, konstruktiv Dinge voranzubringen. Wenn ich allein auf dem Klimawandel wütend bin oder auf den Umgang damit, ändert das ja nichts. Sondern ich muss selbst überlegen, wie oft fahre ich Auto.
Wut hat für mich mit Ohnmacht zu tun. Also wenn man das Gefühl hat, dass sich Dinge in eine Richtung bewegen, die man nicht möchte. Oder Ungerechtigkeit, wo man das Gefühl hat, man kommt dagegen nicht an.
So wie ich Wut erlebe, ist das meistens etwas Destruktives. Ich bin eher konstruktiv unterwegs. Und wenn ich wütend bin, versuche ich das umzusetzen, irgendwas zu verändern.
Man ist ein bissel hilflos auch. Da ist die Frage halt: Was kann man machen? Kann man überhaupt was machen? Das ist halt was, wo ich irgendwie sage, das nervt mich halt, ja.
Wut ist für mich ein ganz negativ behafteter Begriff. Wenn ich früher Dinge in die Ecke geworfen habe, weil mir irgendwas nicht gelungen ist, hat mich mein Vater immer Wut-Teufel genannt. Ja, Wut hat immer etwas mit Zerstörung zu tun. Das ist eine negative Energie. Aber hier passender wäre Unzufriedenheit. Und da gibt es schon einige. Manche sagen es offen, manche sagen es nicht offen. Das ist so, man bewegt sich ja logischerweise in einer Blase.
Y: Würdest du sagen, dass Leichtigkeit die Opposition zu Wut ist?
L: Nicht ganz. Wut hat immer eine Tiefe, so eine Riesen-Story hinter sich. Leichtigkeit – Da ist gar nichts. Na ja, vielleicht dann doch das Gegenteil, ja. Leichtigkeit ist einfach.
Für mich ist Wut ein kurzes Gefühl. Entweder man kann es jemanden erzählen, dann konserviert man es noch ein bisschen. Aber aus meiner Sicht ist Wut nichts, was Handeln permanent bestimmen sollte. Aber Wut hat eine Berechtigung.
Wut ist ein Gefühl, das negativ belegt ist. Ich glaube aber, dass das auch manchmal gut ist. Weil das Gefühl einen Grund hat. Dann macht einen sofort ärgerlich. Und das muss raus. Ansonsten spricht man von unterdrückter Wut. Die ist genauso negativ belegt. Aber es ist ein Gefühl. Und Gefühle kommen über uns. Ich halte Wut für ein Gefühl, was zuzulassen ist. Niemand will so richtig sagen: Ich bin wütend. Wutbürger ist ja völlig… Braucht man ja gar nicht zu drüber reden, wie das belegt ist. Es will ja keiner sein. Wutbürger beschreibt, glaube ich, etwas anderes. Aber ja, man wird manchmal wütend. Auch wenn das vielleicht jetzt nicht gesellschaftlich die schickste Reaktion ist.
Wut im Bauch entsteht im Kopf. Genau.
In deinem Bauch
da ist sie auch.
Wut ist ein recht negatives Gefühl. Ganz weit unten so im Instrumentenkasten der Schwingungen. Viel besser ist Aufklärung und Vertrauen und Akzeptanz und Wohlwollen und solche Sachen. Das sind hochschwingende Sache, damit kann man Menschen viel besser Menschen erreichen. Das klingt vielleicht abgedroschen. Aber wenn man die Emotionen abholt, die Menschen gerade haben – und die haben nun mal Emotionen, wenn sie Angst haben vor Ausländern – dann ist das erst einmal eine reale Sache. Weil ihr Körper ihnen ja ein Gefühl gibt, was sie nicht einordnen können. Dann machen die Ausländer dafür verantwortlich. Aber am Ende sind das ihre Urängste, die sie triggern. Sie müssten bei sich schauen: Warum habe ich diese Angst? Habe ich Angst vor der Fremde? Habe ich Angst vor was auch immer? Und dann komme ich vielleicht an den Punkt, wo ich an mir arbeiten kann. Und gar nicht mehr einen Stellvertreter dafür finden muss, den ich als Sündenbock vors Loch schieben kann.
Wird fortgesetzt