Dörte: Ich habe mal den gepackten Koffer meines Mannes ausgepackt. Der wollte auf Montage und ich war total dagegen. Und dann war das der letzte Abend. Natürlich habe ich ihm seinen Koffer gepackt. Er hatte mit einem Kumpel bei uns Fußball geguckt und wollte den dann noch wegbringen. Dann kam er nicht wieder. Er war mit diesem Kumpel einen trinken. Und ich saß da mit meinem Elend, hatte noch was Schickes zu essen und ’ne Flasche Wein vorbereitet. Ja, und als er dann zurückkam – und wir wohnten im siebten Stock – habe ich den Koffer ausgepackt, aber einzeln und alles aus dem Fenster geworfen. Na, so wütend war ich. Ja. Dann hingen seine Unterwäsche und seine Strümpfe unten im Gebüsch in den Blumen. Er musste das selber wieder zusammenpacken. Was der gar nicht konnte. Der war überhaupt nicht in der Lage, irgendwas zusammenzulegen. Also das war vielleicht auch das Extremste, dass ich so mit Wut in Verbindung bringe.


Markus: Der wütendste Augenblick meines Lebens war, als so ein Typ meinen Hund bedroht hat. Da bin ich mit Hermia, so hieß mein Hund, Gassi gegangen. Der Terrier ist in den Garten und hat dahin gepinkelt. Da kam so ein Mann rausgeschossen und brüllte mich an, ich soll den Hund da wegnehmen, sonst würde er den abknallen, hätte er schon mal gemacht. Und da ist etwas passiert, das hatte ich noch nie erlebt bei mir: Da ist mir das Blut aus dem Kopf gewichen. Erst wurde es heiß, dann wurde es eiskalt, kalte Wut kam dann. Und ich habe ganz ruhig zu dem Typen gesagt – und ich habe das hundertprozentig so gemeint in dem Moment: »Pass mal auf, alter Mann. Wenn du meinen Hund anfasst, dann garantiere ich dir einen langsamen, qualvollen Tod. Haben wir uns verstanden?«

Dann hat er versucht, mich anzubrüllen. Ich hab in einer unfassbaren Lautstärke zurückgebrüllt. Da ist er weggelaufen. Danach habe ich angefangen zu zittern. Was war das jetzt gerade? Das war der wütendste Augenblick meines Lebens. Das hatte dieses Schutzding. Ich bin mir sicher: Wenn jemand meine Kinder angreifen würde, würde was Ähnliches mit mir passieren. Ich würde sozusagen alles auf eine Karte setzen und versuchen, wie Beelzebub persönlich zu wirken.


E.: Ich habe auch schon eine Tür geknallt, eine Glastür, die dann kaputt war, gänzlich kaputt. Das war auch das Ziel gewesen: Dass es hörbar ist, dass ich wütend bin, weil mein Schreien nicht reichte. Das war, als ich noch klein war. Als ich das Gefühl hatte: Ich werde nicht gehört. Ich glaube, das ist ganz oft ein Grund, dass man eben wütend ist, wenn man nicht gehört wird. Und dann habe ich diese Tür wirklich zerschlagen. Ich war weniger erschrocken als befriedigt. Ich dachte, »Ja, so fühlt sich das an. So, dann wisst Ihr jetzt mal, wie das ist.«


M: Diese Woche hatte ich zwischendurch auch mal Wut gehabt, weil ich Beton holen wollte. Und das ist sackenteuer. Baustoffe sind alle teuer. Jeder versucht da, sein Schnäppchen zu machen. Schlimm. Zu Lasten vom normalen Bürger. Wenn du hier mal rumfragst, was so der Durchschnittsverdienst ist … Wenn ich sehe, das Glas Wein 6€, dann glaube ich nicht, dass sich jeder das leisten kann. Knobibrot für 7€, wer kann sich das noch leisten, vielleicht mit Kindern noch.

Mit den Baustoffen, das ärgert dann wieder die Handwerker. Die müssen es ja auch weitergeben. Vorgestern hatte ich schon Kiesgut auf den Hänger, da hatte ich früher 12€ gezahlt. Und da sagt er: »50€.« Da sage ich: »Das ist nicht euer Ernst.« Da sagt er: »Ja, wir müssen alle mitmachen.« Wenn der Kies nicht schon auf dem Hänger gewesen wäre, hätte ich‘s dort gelassen. Zehn Kilometer weiter hab ich‘s für 14€ bekommen. Das finde ich so unverschämt. Die bereichern sich so. Das ist genauso mit der Waffenindustrie. Damit wird dann richtig Geld verdient. Dortmund, zum Beispiel, kriegt einen neuen Sponsor, einen Rüstungskonzern. Weil der Kohle hat. Weil da so viel Kohle da ist, wird das reinpulvert. Da frage ich mich, warum haben sie das »übrig«? Erst knallst du die ganzen alten Waffen weg, bist froh, dass die wegkommen, die alten Panzer, aus DDR-Zeiten noch, aus Russenzeiten, das ist so. Und dann wird Neues produziert. Und damit wird Geld verdient. Und das ist schlecht.


Stefan: Was macht man mit Wut, bei der man keinen Einfluss auf die Ursachen hat? Wir haben viele Leute getroffen, die wütend waren wegen des Ukrainekrieges.

Kathrin: Genau.

Stefan: Das kann man ja nicht beeinflussen.

Kathrin: Ne.

Stefan: Was macht man da mit der Wut?

Kathrin: Glauben. Glaubenssätze helfen. Affirmationen. Siehst du, ich habe das Bändchen immer noch um. Das haben mir ukrainische Kinder 2022 am Kindertag gemacht und mir um den Arm gebunden. Es ist immer mal wieder eine Weile ab, weißt du? Und dann ist es wieder dran. Das ist Glauben. Also der Glauben daran, dass das Gute am Ende siegt. Jetzt will ich aber nicht hier Gute und Böse aufmachen. Aber in dem Fall ist es so. In dem Fall sage ich: Ein Land, eine Nation, eine Bevölkerung sind nicht gut alle. Und ich weiß auch um die Situation in der Ukraine, um die Widersprüche dort. Das ist keine Frage. Ich will das jetzt nicht irgendwie schönreden oder schönmalen. Aber die Situation, dass die Ukraine überfallen worden ist und auf diese furchtbare Art und Weise …

Es ist ja eine klare Ansage. Deren Kultur und Nation soll vernichtet werden. Beseitigt werden. Das ist für mich böse. Obwohl ich sonst Gut und Böse selten benutze. Aber da habe ich sozusagen mal ganz kurz diese Binarität von: Putins Angriffskrieg ist böse und der Verteidigung der Ukraine ist gut. Und da kann ich jetzt nur daran glauben, dass am Ende das Gute siegt. Das wollte ich jetzt sagen. Also auch, wenn es mit unglaublich großen Kosten verbunden ist, an Menschen und an Infrastruktur, die zerstört wird, vernichtet wird. Aber trotzdem glaube ich da am Ende dran. Also ich denke dann immer an den Zweiten Weltkrieg. Ich denke dann immer: »Okay, nach 12 Jahren war dann auch zum Glück Schluss.« Und daran erinnert mich das Bändchen.


Anonym: Wir hatten eine Kollegin in der Hauswirtschaft, die war aus Mazedonien. Und das war sehr interessant, weil die wirklich eine andere Einstellung hat, so eine andere Mentalität. Die hatte vom Arbeitsamt ein Auto gekriegt, damit sie an die Arbeit fahren konnte, so ungefähr. Das hat sie uns nach und nach verraten. Da kriegst du schon so einen Hals. Die haben ein großes Haus gekauft. Da kommt Geld aufs Konto, ich weiß gar nicht, wo das alles herkommt. Ich sage ihr: »Du kannst ja mal meine Kontonummer angeben.« Also, ich würde auch gerne mal was nehmen, so ungefähr. Man hat das nicht so sehr hinterfragt, weil sie konnte nur gebrochen Deutsch.

Aber das macht einen schon nachdenklich. Wie kommt sowas? Erstmals Auto vom Arbeitsamt. Klar, sie hat dann auch gearbeitet. Aber man hat schon gemerkt, sie hat ’nen anderen Familienhintergrund. Wenn sie Frühschicht hatte, sonnabends früh, wenn ich auf sie angewiesen war, habe ich nachts gebangt: »Hoffentlich kommt die morgen früh.« Dann stehst du in der Küche und kommst nicht vorwärts, weil sie vorher nicht gespült hatte. Und das nächste, das war auch so kurios: Sie hatte ihren ganzen Schmuck an der Hand. Da denkt man dann auch: Auf der einen Seite kriegen sie Geld vom Arbeitsamt, damit sie sich ein Auto kaufen können. Und hier präsentieren sie ihren Schmuck. Da siehst du schon, das war eine andere Mentalität. Die wurde auch nicht übernommen.

Also, das war mal so ein Einzelfall. Aber da sind auch andere Sachen passiert. Die müssen auch gewillt sein, sich uns anzupassen. Auch unserem Arbeitsstil. Das ging gar nicht! Wenn sie die nicht gleich wieder entlassen hätten, ich glaube, das hätte mehr Unruhe gestiftet. Ich meine, so ansonsten sind das alles kleine Dörfer hier und so viele sind jetzt nicht da, die migrationsmäßig kommen.



Friederike: Eine meiner Schülerinnen saß auf der Wiese und malte die Landschaft. Da kam der Bauer an, dem die Wiese gehört. »Bist du auch so ein Klima-Kleber?« Das war die Ansprache an das Mädchen. Das Mädchen hat Abi mit 1.0 gemacht. So eine ganz anständige, klare, freundliche, höfliche Person, die wurde von diesem Typen … Das war Wut! Der Typ war wütend auf irgendwas und konnte das gar nicht so genau benennen. Und hat die einfach angeranzt. Obwohl ihm diese Person überhaupt nichts getan hat! Die hat wirklich nur auf einem halben Quadratmeter seiner Wiese gesessen. Da, wo er sowieso immer nur langlatscht!


Elvira: Jetzt muss ich noch so ’n Ding erzählen. Meine Mutter ist doch Kirchenmitglied gewesen und die ist letztes Jahr gestorben im Mai. Die Mutter. Und der Nachbar, der hat doch beim Beerdigungsinstitut gearbeitet. Und da hat meine Tochter och gesagt: »Wir lassen dann ’n Michael die Rede halten, der kennt die Mutter am allerbesten.« Denn den Pfarrer hat meine Mutter noch nie gesehen. Der war noch nie hier und nix. Naja gut. Da haben wir das in der Kirche gemacht. Da durften keine Glocken geläutet werden, weil der Nachbar die Rede gehalten hat!

Wieland: Weil’s ’ne weltliche Beisetzung war.

Elvira: Weils ’ne weltliche Trauerfeier wäre. Wir sollten och keine Kerze anbrennen drinne. Und was war noch?

Wieland: Nicht an Altar gehen. Nichts.

Elvira: Da war doch noch irgendwas. Ach, und dann mussten wir noch 120 Euro für die Kirche bezahlen

Wieland: Miete.

Elvira: Weil wir diese halbe Stunde drinne waren.

Wieland: Obwohl die Kirchenmitglied war.

Elvira: Obwohl meine Mutter Kirchenmitglied war.

Wieland: Von der Oma ham ’se schon Glockenabnutzung abgerechnet. Damals. Glockenabnutzung!

Elvira: Und die war auch bei der Kirche. Jedenfalls haben wir drüben (im Sauerland) meine Mutter schon inner Urnenwand bei meiner Tochter, weil die sagt: »Wir ziehen ja da hin.« Und da kam die och vom Beerdigungsinstitut und hat gesagt: »Da in Thüringen die Glocken nicht läuten durften, machen wir das mit ’ner Fernbedienung in der Stadt.«

Wieland: … Stadtkirche geläutet.

Elvira: Geht doch, ge? Also unglaublich! Da ham wir uns auch so sehr geärgert hier.

Wieland: Da wundern ’se sich, dass so viele Leute von der Kirche weggehen.

Elvira: Ja. Da hat die Mutter immer schön jedes Jahr ’ne Spende gegeben und gemacht. Wenn die das noch wüsste. Die würde sich rumdrehn im Grab. Wirklich. Unglaublich! Und zum Schluss haben Leute auch noch was in die Kollekte reingetan.


Dorothee: Ich bin viel eine Zeit lang mit der Linie 1 gefahren und immer an der Falkenburg eingestiegen, Richtung Stadt einwärts. Da sind Schüler von der Walddorf-Schule gewesen; die Beine auf den Sitzen, ihre großen Rucksäcke und Ranzen auf den Sitzen. Die Leute drum herum haben alle gestanden. Das hat die gar nicht interessiert. Wenn ich in den Bus komme, da stelle ich mich hin und frage: »Kann ich mich hierhersetzen?« Und dann setze ich mich auch. Notfalls setze ich mich auch auf den Rucksack drauf. Da habe ich kein Problem damit. Die nehmen es dann auch ganz schnell weg.

Ich fahre auch die Linien 4 und 6. Und da ist das Kaufland. Das sind ältere Damen, die setzen sich erst mal an den Platz am Gang, damit man gar nicht auf den anderen Platz kommt. Die legen ihre Handtasche daneben. Wenn der Bus leer ist, sagt kein Mensch was. Aber wenn der Bus voll ist und die Leute stehen, dann gucken die stur geradeaus. Die Leute sind so egoistisch geworden sind. Aber man sieht es nicht bei älteren Herren. Die machen das nicht. Wenn sie eine Tasche haben, dann haben die die auf dem Schoß. Ältere Damen aber, wo man denkt, die sind eine Generation, die müssten es noch wissen, die machen das.


Karin: Bei uns in der Nachbarschaft hat vor wenigen Wochen ein junges Ehepaar die Initiative ergriffen und alle Häuser angrenzend angeschrieben. Die haben kleine Zettel ausgelegt und zu einem Quartiersputz aufgerufen. Ich schätze mal in jeder Straße sind das etwa 80 Häuser. Zum Putz waren wir neun Leute. Eine davon war eine Familie mit zwei Kindern, zu viert. Fand ich total schön, dass die dabei waren. Es war übrigens strömender Regen, ein sehr garstiges Wetter. Aber wir haben das nichtsdestotrotz durchgezogen und haben ein paar schöne, große Mülleimer gefüllt.

Hinterher habe ich ein paar angesprochen, die ja auch hätten mitmachen können. Da hieß es: »Die Jungen machen ja sowas nicht mehr.« Das habe ich gesagt: »Nein, die Jungen haben aufgerufen. Und Ihr habt nicht mitgemacht.« Die Reaktionen waren zum Teil haarsträubend. Da sagte einer: »Die Kommunalwirtschaft sollte sich schämen, das ist ihre Aufgabe.« Aber es ist doch eigentlich die Pflicht eines jeden Einzelnen, nicht erst Müll hinzuwerfen. Oder ein Rentner ging vorbei und fragte: »Was machen Sie denn da?« Ich sagte: »Gemeinschaftsaktion, wir räumen ein bisschen auf. Wollen Sie mitmachen?« Da sagte er: »Ich bin Rentner, ich muss nicht mehr arbeiten.« Also, da ist man fassungslos. Ich bin nicht wütend, aber ich bin fassungslos. So wenig Gemeinschaftssinn.


U.: Ich habe gerade überlegt, was meine extremste Wutreaktion war. Das war tatsächlich schon in der Beziehung. Das ist wirklich bis auf die Grundfesten erschütternd. Wenn sich wirklich viel angestaut hat und man es nicht geschafft hat, früher anders zu kommunizieren, weil man Angst hatte vor der Wutreaktion des anderen. Dann gibt es eine eigene Wutreaktion, die so übermäßig ist. Da hört man sich schreien, oder sich entäußern in einem Maße, wo man denkt: »Ist das jetzt noch meine Stimme, bin ich das?« Dann fliegt irgendwas durch die Gegend. Also, nicht auf jemanden, sondern irgendwohin. Aber man muss irgendwas werfen.


Anne: Das ist so eine ganz krasse Geschichte gewesen. Da habe ich als Reisebegleitung gearbeitet und hatte so eine Reisegruppe. Das waren alles so alte Leute und ich war noch ganz jung. Und ich habe die nicht richtig im Griff gehabt damals. Heute würde mir das nicht mehr passieren. Aber damals sind die mir auf den Kopf rumgetanzt und haben mich im Nachhinein total ungerecht bewertet, obwohl ich mir echt viel Mühe mit denen gegeben hatte. Daraus lernt man, dass du dir eben einfach nicht alles gefallen lassen kannst. Du kannst durchaus was sagen, auch in einer Situation, wo du von einer Bewertung abhängig bist. Du kannst durchaus deinen Standpunkt vertreten. Das habe ich damals nicht gemacht und das wurde als Schwäche ausgelegt. Das fand ich damals voll fies.


S.: Und dann, ich kriech ja nich viel Rente, ja. Da hat er das Steuerzeuch gemacht und hat alles eingegeben. Und wo er meine Rente eingibt, da kommt oben der Betrag, was du ungefähr kriegst.

E.: Sie kriegt nur 800 und Rente.

S.: So. Und dann sagt er: »Geb ich deine Rente ein, hats gleich 1000 Euro weniger gemacht.«

E.: Also du denkst, du spinnst. Die wird ja schon versteuert. 800 und Rente!

S.: Ich zahl ja schon auf meine Rente Steuern. Und dann ziehen die auch noch was ab. Das ist doch …

Du kannst mit 800 Euro nicht leben. Und schon gar nicht, wenn du noch ’ne Hütte am Hals hast. Ich sag, du musst ne Heizung bauen und … Wo soll’n wir’s ’n hernehmen? Also … Is schon schlimm.

E.: Da hamse doch Förderung gegeben. 55 % für die Umstellung von Öl off Holz oder Pellets. Ham wir gemacht, alles schön. Und wir mussten das ja alle fünf Jahre vom TÜV genehmigen lassen, weil wir Wassereinzugsgebiet sind. Kam der TÜV und hat geguckt, ob alles in Ordnung ist an Ölbehälter und so weiter. Mussten och schon immer 60/70 EUR zahlen. Jetzt war das vorbei. Da ruf ich ’s Landratsamt an. Ich hab gesagt: »Ihr braucht keenen mehr schicken, bei uns ist das jetzt alles ausgebaut und da braucht keener mehr vom TÜV kommen.« »Na, so einfach geht das nicht. Da muss auch ein Prüfer kommen und prüfen, ob das ordnungsgemäß abgelaufen ist.« Ich hab gesagt: »Der Mann, der mir das ausgebaut hat, ist Heizungsbauer und der wird vom TÜV jährlich kontrolliert und dann können wir uns das sparen.« »Nein«. Und da kommt eener und hat 160 Euro genommen.

S.: Nur so.

E.: Nur so ne Scheiße.

S.: Ist wirklich wahr. Naja. Die machens schon mit uns.

E.: Die ziehen das schon raus alles, du. Dass es uns nicht zu wohl geht.



Nancy: Das ist auch so ein typisches Ding, was mich wütend macht. Du verlässt dich auf die Menschen, die da oben sitzen, die diese Arbeit regelmäßig machen. Es hieß, wir gehen als eigenständiges Dorf in die Landgemeinde. Aber wir möchten gerne, dass der Ort Eichstruth weiter Eichstruth heißt. Wir wollen, dass jeder erkennt, dass unser Ort Eichstruth ist. Eichstruth soll am Ortsschild stehen.

Und jetzt steht es nicht so, wie wir es besprochen haben. Jetzt steht da nicht: »Landgemeinde Uder«, darunter »Ortsteil Eichstruth«. Sondern es heißt nur »Uder«. Weil das Wort »Landgemeinde« schon per Gesetz nicht davorstehend darf. … Da habe ich gedacht: Warum haben die uns verarscht? Es sollte nicht »Uder« heißen. Wir wollten nicht, dass die elf Gemeinden zusammengehen. Da hätten wir ja auch sagen können, das ist »Landgemeinde Eichstruth«.

Jetzt fängt das an. Die ersten kriegen ihre Briefe nicht mehr zugestellt, beziehungsweise Versicherungsschutz ist teilweise nicht gegeben, weil die gar nicht ihre Rechnung zustellen konnten. Ich wette, es dauert keine vier Wochen, da kriegen wir aus unserer Dorfstraße eine Neue Straße. Und dann fängt das ganze Theater wieder an: Jeder muss seine Ausweise ändern.

Da bin ich wütend. Das ist eine Wut, die ich natürlich in mir trage, wo ich sage: Ich mach das ehrenamtlich. Ich bin Zahnarzthelferin. Ich habe von Recht und Gesetz keine Ahnung, und das muss ich auch nicht. Dafür sind die da, die arbeiten uns zu. Und da ist keiner gewesen, der aufgepasst hat. Und das fällt uns mit Sicherheit jetzt richtig auf die Füße.

Das ist das, wo ich mich ärgere. Nachdem ich in die Politik ein bisschen mehr reingucke und mit den Aufgaben natürlich auch ein bisschen wachse, ärgert es mich, dass die, die wirklich Verantwortung haben und da auch Verantwortung übernehmen müssten, dass die zurückrudern und sagen: »Ihr habt ja alle dabeigesessen.« Ja, ich habe dabeigesessen, ich habe euch vertraut. Denn selbst, wenn ich das fünfzehnmal durchlese, bräuchte ich einen Anwalt, um das zu verstehen.


Karin: An richtige Wut kann ich mich in der Kindheit erinnern. Meine Schwester und ich waren sehr unterschiedlich. Meine Schwester war bekanntermaßen ein kleiner Diktator. Drei Jahre älter und wollte sich immer massiv gegen mich durchsetzen. Das gab es mal eine kleine Situation, ich weiß gar nicht mehr genau. Aber ich war so wütend auf sie, dass ich am liebsten ein Messer genommen hätte. Das kam natürlich überhaupt nicht in Betracht. Aber in dem Moment ich hätte am liebsten.


Dorothee: Die alten Bäume in der Ettersburger Straße, wo ich schon voriges Jahr bei der GWG war und gesagt habe: »Mensch, jedes Mal beim Sturm kommen hier große Äste genau über dem Gehweg runter. Kann man da nicht mal was machen, ehe es einen erschlägt?« Und da meinte er: »Ja, das ist längst gemeldet. Da kommt aber das Umweltamt und muss ich das genau angucken und muss die Genehmigung geben, welcher Ast da wegdarf und die dürfen dann nicht einfach dran rumschneiden.« Aber seitdem hat sich nichts getan. Das sind so Sachen, wo ich sage, das ärgert mich.


Kathrin: Also, ich ärgere mich … Ich sag so: Ich ärgerte mich. Jetzt habe ich akzeptiert. Ich ärgerte mich die letzten Jahre sehr über das Pflegezentrum, in dem meine Mutti ist. Über den Umstand, dass eben so wenig Personal dort ist. Dass für meine Mutti wenig Zeit in der Pflege übrigbleibt. Was dazu geführt hat, dass ich mich nicht lange geärgert habe, sondern sofort Maßnahmen ergriffen habe, um meinen Ärger zu verändern: indem ich mich wohlfühle.

Es geht mir damit gut, wenn ich dann eben jeden Tag bei meiner Mutti bin. Dann kriegt meine Mutti das, was sie braucht. Und ich stelle mich nicht mehr hin und ärgere mich darüber, dass die Pflegekräfte nicht das machen, was meine Mutti bräuchte. Meine praktische Lösung war: Dann mache ich selber. Dann habe ich aber auch gedacht: »Okay, ich muss aber was einfordern.« Das ist ja eine Demokratie, da kann ich ja Kritik äußern. Dann sage ich: »Okay, ich spreche also jetzt mit der Pflegedienstleitung, ich spreche mit der Heimleitung, ich gehe hoch zum Qualitätsmanagement vom Träger.« Dafür sind die ja da; die Qualitätsmanagerin plus einschließlich der Prokuristin. Dann sind wir nämlich genau auf der Schnittebene, wo es eigentlich ums Nutzen und Geschäft geht. Das habe ich dann verstanden nach dem Gespräch.

Wenn ich sowieso jeden Tag da bin, weiß ich, was in dem Haus läuft. Also ich weiß das besser als die Prokuristin. Und im Gespräch legen wir das alles auf den Tisch. Auch mit dem Wunsch und mit der Forderung, dass eine Person für Zwölfe im Nachmittagsbereich nicht reicht. Da kriegst du dann mit, was die Argumente sind. Und die gibt es eigentlich nicht: »Es ist so, es ist so festgelegt. Und eine Person reicht dann eben im Abendbereich.«

Letztlich ist das Gefühl, was ich dort rausgegangen bin: »Das war jetzt sinnlos, dass wir was gesagt haben.« Das finde ich schon krass. Wir haben zwei Stunden lang miteinander geredet, zwei Stunden lang zu fünft am Tisch. Und am Ende hast du das Gefühl, das interessiert hier kaum jemanden. Es geht allein um die Zahlen. Und die müssen stimmen. Dass das Heim gut aussieht, das ist gut eingerichtet, und dass die Möbel gut aussehen. Aber die Zeit an der pflegebedürftigen Person und die Qualität der Kommunikation, der Patientenkommunikation, die ist ganz weit da unten. Und dann mache ich das im Prinzip, selber, also das, was ich selbst tun kann, was ich selbst verändern kann. Das verändere ich.


Janek: Ich habe ja in Weimar mit freiem Theater angefangen. Und als freies Theater hat man nie Geld. Ich habe immer nicht in der Wohnung gewohnt, wenn wir auf Gastspiel oder Produktionsreise waren, wo auch die Darsteller gewohnt haben. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Weil es dann keine Möglichkeit gäbe zu meckern. Weil der Schauspieler auch mal sagen muss: »Der Müller, der hat mich wieder echt genervt mit seinen künstlerischen Ideen.« Das muss ja auch irgendwo stattfinden können. Wenn ich den ganzen Tag in der Küche sitze, geht das nicht.


Annett: Ich bin Regionalbahn gefahren. Es war super, supervoll. Unterwegs stieg eine Gruppe älterer Menschen ein. Die waren in ihren 60ern und hatten Koffer dabei. Es war wenig Platz und um die Ecke saß ein Junge und spielte irgendwas auf dem Handy. Der kriegte nicht viel mit, der war alleine. Neben ihm war ein Platz frei. Und da sagte der eine Typ zu seiner Frau, sie solle sich dort hinsetzen. Aber das wollte die nicht. »Setz dich da jetzt hin!«, sagte ihr Mann. Und dann war er der Meinung, er müsste diesen Jungen irgendwie dumm machen. So nach dem Motto: Der Rotzlöffel hat jetzt aufzustehen.

Ich fand das so unmöglich, das war ein alleinreisendes Kind. Das hat dem nichts getan. Das hat noch nicht mal mit ihm Kontakt gehabt. Da habe ich zu dem Mann gesagt, dass ich das irgendwie nicht cool finde, was er da gerade macht, dass das ein Kind ist und kein Rotzlöffel. Da gingen die natürlich sofort auf mich los: was ich mich da einmische und so weiter und so fort.

Dann guckte der mich an und sagte: »Du bist doch total weltfremd, das sehe ich doch.«  Und der sagte irgendwann zu mir, eigentlich nicht wirklich zu mir, sondern in meine Richtung gesprochen: »Ich weeß schon, was ich wähle!« Und die anderen so: »Ja, ja, ja, ja.« Und da frage ich mich: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Was hat die Wahl einer Partei, von der wir jetzt ausgehen, dass er die AfD meinte, damit zu tun, dass er sich nicht benehmen kann, dass er irgendeinem Bild von Erziehung anhängt, dass so nicht mehr funktioniert? Es kommen häufiger Leute, die mir sagen: »Ich benehme mich wie ein Arschloch, also möchte ich jetzt, dass alles so bleibt, wie es früher gewesen ist.« Und das stelle ich häufiger fest und stelle fest, dass es verbunden ist mit einer unglaublichen Häme und Bösartigkeit.


Uta: Ich hab kein eigenes Auto mehr und fahre viel Fahrrad in der Stadt. Es macht mich manchmal wahnsinnig wütend, wenn mich ein Autofahrer eng überholt. Gerade, wenn kein Gegenverkehr ist. Da gibt diese 1,5 Meter und das ist der Moment, wo du erschrickst, weil du es nicht erwartest. Dann wirst du auch mal wütend. Auf der Hensstraße ist die Einbahnstraße für den Radverkehr geöffnet. Da kommt Transporter mit dem AP-Kennzeichen viel zu schnell und bremst kein bisschen ab. Der sieht mich kommen, rechts und links ist vollgeparkt. Da halte ich an, so dass er nicht vorbeikommt. Ich versuche meine Wut zu unterdrücken, weil es hilft ja nichts, wenn du jemanden anschreist. Das bringt keine Punkte. Zu dem habe ich gesagt: »Gegenseitige Rücksichtnahme, irgend so war es, Paragraf 1 zur Straßenverkehrsordnung.« Sagt er: »Wie denn, hier ist doch alles vollgeparkt!« Sage ich: »Indem Sie einfach mal anhalten.«, Da hat er Gas gegeben und ist weitergefahren. Das habe ich mehrmals schon erlebt.


Anonym: Ich habe heute beispielsweise einem aus meiner Straße eine Nachricht geschrieben. Der hatte sich in seinem WhatsApp-Status total darüber aufregt hat, dass man wegen der Gutmenschen seine Meinung nicht mehr sagen dürfe. Ich würde das jetzt mal als Wut beschreiben, wenn sich jemand hinsetzt und so einen Quatsch von sich gibt, also wirklich kruden Scheiß. Und ich habe ihn dann gefragt: Wer denn Gutmenschen sind und warum er Gutmenschen kritisiert hat in seinem WhatsApp-Status und man darf die Meinung nicht mehr sagen in unserer ach-so-tollen Demokratie. Das ist mein Hobby: Leute mit ihrem WhatsApp-Status zu konfrontieren. Und er antwortete darauf, dass diese fünf Jugendlichen in Sylt ja offensichtlich nicht ihre Meinung frei sagen dürften. Ich habe ihm einfach nur »Oje« geantwortet und das Eine-Hand-am-Kopf-Emoji geschickt. Also die Leute sind halt einfach auch dumm, ungebildet, und manche vielleicht auch einfach böse. Das ist gruselig!


Katrin: Ich hatte mal einen Patient gehabt, der saß auf dem Ergofahrrad und dabei schimpfte der: »Ich habe so viele Ausländer auf Arbeit.« Und da fragte ich mich: »Was sollen denn das jetzt?“ Jetzt arbeiten die und das ist auch wieder nicht richtig.« Er sagte: »Die sind dumm.« Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass das eigentlich ein rassistisches Argument ist, dass andere Leute dumm sind. Ich habe dann gedacht, was will er mir denn eigentlich damit sagen? Und dann hat er angefangen: »Ja und viele Zigeuner…« Da habe ich das Gespräch beendet. Ich habe ihm gesagt: »Wenn wir so über Menschen sprechen, dann hat sich für mich das Gespräch beendet.« … Ich verstehe das nicht. Das macht mich so ein Stück fassungslos. Wie soll man denn dagegen ankommen, wie wollen wir denn der Gesellschaft hier wirklich verändern, wenn die Leute solche Meinungen haben?


Thomas: Kann ich Ihnen noch ein schönes Beispiel sagen. Wir haben eine Halle von der EPG gekauft. Betrag egal. Du kaufst die Halle mit dem Versprechen: »Ja, ja, Nutzungsänderung kriegen wir hin, kein Problem.« Dann kommen die und sagen: »Ja, wir brauchen nen neuen Bauantrag.« Die Halle steht schon 50 Jahre auf dem Platz. Da wurden früher Trecker drin geölt und hast du nicht gesehen. Das hat keine Sau interessiert. Und jetzt ist das Wasser-Eins-Schutzgebiet Klasse 1. Und wenn da jetzt ein Holzbaubetrieb reingeht, mit LKW und Stapler, dann ist das Nutzungsklasse 1 Wasser. Und dann kriege ich keine Nutzungsänderung für einen Zimmerreibetrieb. Das sind selbstgemachte Probleme. Sollen wir uns in Heiligenstadt ein Grundstück kaufen und eine neue Halle bauen? Wer soll ’n das bezahlen? Da steht, sag ich mal, nicht mehr im Verhältnis! Man will ja das Geld auch erwirtschaften.


Markus: Gestern hat jemand in der Theateraufführung in der zweiten Reihe mit Licht gefilmt. Dass die das Handy hochhalten, daran habe ich mich ja schon gewöhnt. Oder dass es mal blitzt. Aber das war… Wirklich anderthalb Minuten hatte jemand eine Choreografie abgefilmt. Ich habe es ja schon erlebt, dass Schauspieler – die Petra Hartung ist ins Publikum gesprungen und hat das Handy weggenommen, hat gesagt, »Dass kriegste nach der Vorstellung wieder.« Und dann hat die weitergespielt.

Den Arsch habe ich nicht in der Hose. Und bei My Fair Lady hast du natürlich sofort auch die Stimmung gekillt. Das wird dann ein anderer Abend. Da musste so ein Extremkünstler wie der Eidinger sein, der sagt: »Okay, das ist für mich Bestandteil meiner Beziehung zum Publikum. Ich muss mich hier konzentrieren. Und du hast mir gefälligst nicht dazwischen durch zu quatschen. Du Arschloch.« Ich bin da eher Dienstleister. Ich krieg kurz Wut und denk: »Du, die guck ich gleich böse an.« Aber viel mehr ist auch nicht.